Hast du schon mal was vom sogenannten „Marshmallowtest“ gehört? 

Ich könnte mir vorstellen, dass der „Marshmallowtest“ dem einen oder der anderen durchaus ein Begriff sein könnte. 

Aber kannst Du dir vorstellen, dass dieses Experiment aus den 70er ganz viel mit Deiner geistlichen Entwicklung und deinem persönlichen Wachstum zu tun hat?  

Worum geht es? 

Beim sogenannten Marshmallowtest geht es um eine Reihe von Studien, die der Psychologe Walter Mischel von der Stanford University im Jahr 1972 durchführte. Außerhalb der akademischen Welt wurden die Studienergebnisse später als Marshmallow-Test bekannt. 

Die ursprüngliche Untersuchung oder die Ausgangsstudie fand damals an der Bing Nursery School mit Kindern zwischen vier und sechs Jahren statt. 

Jedes Kind bekam dabei einen Marshmallow angeboten. Wenn das Kind diesen Marshmallow nicht sofort aß – so wurde es ihm gesagt – würde es irgendwann später als Belohnung quasi zwei Marshmallows statt nur einen Marshmallow  bekommen. 

Die Forscher analysierten in der Studie, wie lange die kleinen Kinder der Versuchung widerstehen konnten. 

Manche Kinder schnappten sich den Marshmallow, sofort nachdem die Forscher den Raum verlassen hatten. 

Andere brachten so viel Willenskraft auf, wie sie konnten, und bedienten sich einer Reihe von Taktiken, um zu widerstehen. Sie sangen Lieder, spielten Spiele, hielten sich die Augen zu oder sprachen die ganze Zeit mit sich selbst. Ein paar versuchten sogar, einzuschlafen. 

Das Ziel des Experimentes war es, festzustellen, ob die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung langfristig mit dem akademischem Erfolg der Kinder zusammenhing. Die Schullaufbahn der 216 Kinder, die teilnahmen, wurde dann bis zu deren Highschool-Abschluss mitverfolgt. 

Am Ende der Studie, viele Jahre später, stellten die Forscher einen drastischen Unterschied zwischen den „Ein Marshmallow sofort“- und den „Zwei Marshmallows später“-Kindern fest. 

Die Kinder, die die Fähigkeit gezeigt hatten, Belohnung länger aufzuschieben, hatten auch schulisch mehr erreicht und schnitten in der Abschlussprüfung viel besser ab, als die Kinder, die sich den Marshmallow sofort einverleibten, sich nicht beherrschen konnten und scheinbar nur wenig Willenskraft besaßen. 

Aber nicht nur das. Die „Zwei Marshmallows später“-Kinder hatten auch eine größere Sozialkompetenz. Es war ein deutlicher Unterschied in ihrer Selbstständigkeit und ihrem Selbstbewusstsein festzustellen. Sie waren zudem wesentlicher initiativer und konnten viel besser mit Druck umgehen als die Kinder, denen es an Willenskraft mangele. 

In einer Folgestudie, als diese Kinder in ihren frühen Vierzigern waren, fanden die Forscher auch heraus, dass die „Zwei Marshmallows später“-Kinder außerdem auch höhere Einkommen, stabilere Ehen, glücklichere Lebensläufe hatten. Ganz zu schweigen davon, dass sie gesünder waren, zu weniger Fettsucht und Drogenkonsum neigten. 

Faszinierend oder? 

Letztlich ist das Ergebnis dieser Studien das Folgende: 

Wer sich beherrschen kann, über Willenskraft verfügt und diszipliniert ist wird es im Leben weiter bringen und mehr Erfolg haben, als jene, die jeder Versuchung widerstandslos nachgeben. 

Langfristiger Erfolg wird von der Fähigkeit, Belohnungen aufzuschieben, sich zu beherrschen und Willenskraft zu besitzen, maßgeblich estimmt. Das gilt für Beziehungen, den Beruf und auch die geistliche Entwicklung. Selbstbeherrschung ist der Knackpunkt, wenn man wachsen will. 

Selbstbeherrschung als Erfolgsgeheimnis 

Wenn man das Leben erfolgreicher Menschen oder außergewöhnlicher Menschen untersucht, dann stellt man fast immer einen Zusammenhang zwischen ihrem Erfolg und der Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, zur Disziplin oder zur Willenskraft statt. Die 3 Begriffe kann man in diesem Zusammenhang ruhig mal synonym verwenden. 

Hildegard von Bingen, Benediktinerin und Universalgelehrte meinte: 

„Der einzige Weg auf Dauer glücklich zu sein, ist der Weg der Disziplin.“ 

In Sprüche 25,28 sagt die Bibel: Wer sich nicht beherrschen kann, ist so schutzlos wie eine Stadt ohne Mauer. 

Ohne Disziplin und ohne Willenskraft können wir uns weder gegen Versuchungen wehren, noch kommen wir in die praktische Umsetzung –  und es bleibt bei guten Vorsätzen. 

Und wie jeder weiß, is der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert. 

Ohne Disziplin und Willenskraft wird es uns auch nicht gelingen, gute Gewohnheiten zu entwickeln. Ganz genau genommen sind es unsere Gewohnheiten, die uns formen. 

Um eine neue Gewohnheit zu entwickeln oder eine schlechte Gewohnheit abzulegen, braucht es solange Disziplin oder Willenskraft, bis sich das neue Verhalten automatisiert hat und man sich nicht mehr anstrengen muss, um ein neues Verhalten and den Tag zu legen. 

Auf dem Weg zu neuen Gewohnheiten ist Disziplin daher die Brücke, die uns zu neuen Ufern führt. 

Die Gewohnheit einer Morgenroutine entsteht nicht ohne die Disziplin früh aufzustehen, bzw. früh ins Bett zu gehen und dazu braucht wiederum die Willenskraft, um Z.B. den Fernseher rechtzeitig auszumachen.

Oder nehmen wir mal den missionarischen Erfolg: Wir können nicht die Hände oder Füße von Jesus sein, wenn wir den Hintern nicht hochbekommen. 

Der Marshmallowtest zeigt, dass Willenskraft und Selbstbeherrschung im persönlichen Entwicklungsprozess eine Hauptrolle spielen. 

Selbstbeherrschung ist erlernbar 

Wohl dem also, der diszipliniert ist und über einen unbändigen Willen verfügt. Und wehe dem, der ein Rückgrat wie ein Regenwurm hat und sich nicht beherrschen kann, oder? 

Ohne jede Frage gibt es Menschen, die Willenskraft scheinbar von Haus aus mitbringen, aber Selbstbeherrschung oder Disziplin ist ohne jeden Zweifel eine Sache, die erlernbar ist – die man trainieren kann. 

Eine große Meta-Analyse von 31 Zwillingsstudien im Jahr 2019 ergab zwar eine bis zu 60-prozentige Erblichkeit der Fähigkeit zur Selbstkontrolle – manche bringen das in der Tat mit. Aber 60% bedeutet auch, dass 40% der Selbstkontrolle durch andere Faktoren als die der Gene bestimmt werden. 

Man muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass beim Marshmallowtest von Walter Mischel die Bildungsherkunft und die Bildungsschicht damals nicht berücksichtigt worden waren, weshalb auch Kritik am Marshmallowtest laut wurde. 

Mischel selbst aber mahnte, was die Interpretation seiner Studie anging, immer wieder, dass es ihm vor allem darum ging, die Bedeutung der Selbstbeherrschung zu betonen und den Fakt, dass man Selbstbeherrschung lernen und immer weiter trainieren kann. 

Auch diejenigen, die von Haus aus oder genetisch bedingt wenig Willenskraft mitbringen, können nämlich eine Zunahme von Selbstkontrolle provozieren. 

Man wurde also vielleicht mit einem wabbelweichen Rückgrat wie dem eines Regenwurms geboren, aber man kann was dagegen tun und bildlich gesprochen, trotzdem einen starken Rücken entwickeln. 

Wie jeder andere Muskel im Körper auch, kann Willenskraft trainier werden und in Folge wachsen und zunehmen. 

Eine der wichtigsten Entdeckungender Willenskraftforschung ist, dass Willenskraft tatsächlich mit einem Muskel zu vergleichen ist. 

Willenskraft ist ein mentaler Muskel. 

Wie ein Muskel, ermüdet die Willenskraft bei intensiver Beanspruchung. Aber eben weil es sich wie bei einem Muskel verhält, kann man Selbstbeherrschung auch trainieren und mentale Muskelberge entwickeln. 

Wie bekommt man mehr Selbstbeherrschung

Wie genau trainiert man nun Willenskraft oder Selbstbeherrschung? 

Vorab: Ich glaube zutiefst daran, dass man als Nachfolger von Jesus einfach um Willenskraft und Selbstbeherrschung beten kann und beten soll. Selbstbeherrschung ist eine Frucht des Geistes und etwas, dass der heilige Geist in uns hervorbringen möchte. Daher darf man voller Vertrauen und zu aller erst einfach darum bitten. 

Man kann aber selbst was tun, um Willenskraft und Disziplin hervorzubringen. 

Ich sage dir mal, was ich regelmäßig tue und welches Training ich hier und da einstreue, um Disziplin zu entwickeln. Denn Disziplin ist auch mir nämlich nur bedingt in die Wiege gelegt worden. 

Ich stelle mir dazu immer wieder verschiedene Monatschallenges. 

Das ist alles. 

Ich nehme mir vor, einen Monat oder 30 Tage lang eine bestimmte Sache zu tun oder auch zu lassen. In der Regel sind das auch nicht die riesengroßen Dinger, sondern Aktionen, die mich zwar beanspruchen, aber nicht fertig machen. 

Zum Beispiel verzichte ich einen Monat lang auf Süßigkeiten oder auf Alkohol. Mal bestand meine Challenge darin, eine bestimmte Menge zu trinken oder ganz aktuell: einen Monat lang habe ich jeden Tag bis ins kleinstet Detail alles aufgeschrieben, was ich gegessen habe. 

Man kann sich auch vornehmen, einen Monat lang eine Seite in einem christlichen Buch zu lesen, jeden Abend für eine Person zu beten, kalt zu duschen oder irgendetwas, was mich etwas Überwindung kostet und wozu ich mich ein bisschen zwingen muss. 

Als wir dieses Jahr im Urlaub mit unserer erweiterten Familie waren, verzichtete in den ganzen Monat lang auf Süßigkeiten. Eines Abends fragte mich meine Schwägerin, was das denn soll und warum ich das mache. Sie vermutete, dass ich mal wieder so einen Ernährungsfimmel wegen irgendetwas hatte -habe ich tatsächlich manchmal. 

Aber, so sagte ich ihr und dir jetzt: Ich trainiere damit meine Willenskraft.

Mal ganz abgesehen davon, dass jede Challenge meinem Körper, meiner Seele oder meinem Geist ohnehin gut tut, tue ich vor allem meiner Willenskraft etwas Gutes: 

ich trainiere meinen mentalen Muskel. 

Und wenn es dann mal darauf ankommt, 

ich einer Versuchung widerstehen muss 

oder eine neue Gewohnheit entwickeln will, ist ausreichend Willenskraft da. 

Weil Selbstbeherrschung ein Muskel ist, kann man ihn genauso trainieren wie einen Muskel im Körper. Trainiere ich diesen Muskel wächst er und ich werde stärker. Vernachlässige ich ihn, werde ich schwächer. 

Die Metapher vom Training hilft vielleicht auch noch wie folgt: 

Wer völlig untrainiert ist, sollte sich nicht mit schweren Hanteln oder einem Marathon überfordern, sondern stattdessen klein anfangen. 

Wem 30 Tage zu lang erscheinen, der fängt mit 10 Tagen an, einer Woche oder 3 Tagen und steigert sich dann langsam. 

Bei mir sind aus einigen Challenges übrigens fast zufällig schon gute Gewohnheiten entstanden – ohne es wirklich beabsichtigt zu haben. Zum Beispiel was bestimmte Trinkmengen angeht (Wasser wohlgemerkt), morgens kalt duschen, oder im Bett lesen. Bei anderen Challenges habe ich es auch bei der Challenge gelassen und nach 30 Tagen so weiter gemach wie zuvor. 

Keine Selbstkasteiung 

Unter keinen Umständen will ich hier einer Selbstkasteiung Vorschub leisten. 

Es geht mir hier nicht darum, durch die Hintertür alles zu verbieten was Spass macht. Ich will auch ganz bestimmt nicht zu einem asketischen Lebensstil aufrufen. Da hätte ich auch gar keine Autorität. 

Ich glaube, dass wir alles was wir haben und was Gott uns darreicht, zum Genuss dient. Nicht zufällig haben wir in unserem Mund 10.000 Geschmacksknospen, um damit gutes Essen genießen zu können und um nicht einfach nur satt zu werden. Und das Leben ist auch meiner Meinung nach viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. 

Mit der einen oder anderen 30 Tage- Challenge oder einer 10 Tage-Challenge geht es mir darum, 

dass du peu a peu mehr Selbstbeherrschung, mehr Willenskraft und mehr Willenskraft entwickeln kannst, 

dass du den einen oder anderen Marshmallowtest im Leben bestehst und es lernst zu warten, 

du Hildegard von Bingen nicht nur darin zustimmst, dass Disziplin auf Dauer der einzige Weg ist, um glücklich zu werden, sondern du für Dich einen Weg findest, um mehr Disziplin zu entwickeln. 

In diesem Sinne viel Spaß bei deiner nächsten oder ersten Challenge auf dem Weg zu mehr Disziplin und Willenskraft.