Heute geht es um das Thema Selbstreflexion und ich möchte dir eine Methode vorstellen, die man gemeinhin als die 5 Finger – Reflektion bezeichnet.

Reflektion ist ein inflationär gebrauchter Begriff. Jeder hat folgendes schon mal gesagt oder gehört: „Ich bin ein reflektierter Mensch.“ „Das war unreflektiert.“ „Handle reflektiert!“ „Er reflektiert sich zu selten.“

Reflektion ist in aller Munde und tatsächlich in vielerlei Hinsicht hilfreich und notwendig.

Nicht nur ich, sondern eigentlich alle geistlichen Leiter, die ich kenne betonen, wie wichtig es ist über Situationen, über eigenes oder fremdes Verhalten gründlich nachzudenken. Wer vorwärtskommen, wer sich persönlich entwickeln und wer geistlich wachsen will, sollte die Kunst beherrschen, sich selbst zu reflektieren.

In Episode 10 sprach ich ja auch mit meinem Interviewgast Stefan Pahl über Wachstumsprinzipien und auch er nannte die regelmäßige Reflektion als Schlüsselgewohnheit eines Nachfolgers.

Ohne Reflektion kein Wachstum. Wenn ich nicht prüfend über mich selbst nachdenke, dann bringen mir die längsten Bibellesezeiten und auch die besten Mentoren im Leben nichts. Ohne Reflektion gehen die besten Impulse, Erkenntnisse oder Erlebnisse ins eine Ohr rein und aus dem anderen Ohr gleich wieder hinaus. Die Reflektion hat also n diesem Sinnen einen bewahrenden Lerncharakter.

Die Kunst Abstand zu nehmen

Zu einer gesunden und vorwärtsgerichten geistliuchen Entwikclung gehört die Kunst Abstand zu nehmen und die Fähigkeit sich einer Auseinandersetzung mit sich selbst zu stellen.

Gerade geistliche Leiter sollten sich immer wieder zurückziehen, um Zeit zur Reflektion zu haben. Bill Hybels, Pastor von Willow Creek, rät gerade Pastoren und Führungskräften, dass sie 50% ihrer Zeit dem Selbstmanagement widmen sollten und verweist dabei auf Jesus, der sich ebenfalls regelmäßig an ruhige Orte zurückzog, um sich durch Gebet, Fasten und Stille neu auszurichten.

Ich finde 50% als nicht so realistisch, aber auf jeden Fall sollte man ein geistliches Ritual oder eine feste Gewohnheit entwickeln, die mir hilft, mich selbst unter die Lupe zu nehmen.

Standortbestimmung

Ich höre immer wieder wie wichtig persönliche Ziele für die eigene Entwicklung sind.

Und so richtig diese Aussage auch ist, so ungenügend ist sie doch gleichzeitig.

Stell dir mal vor, dass du in einem großen Einkaufsgeschäft, also in einer sogenannten Mall mit zig kleinen Geschäften.

Wenn du durch einen Blick auf den Lageplan nun wüsstest, wo genau dass das Geschäft deiner Wahl nun liegt, dann bringt dir das erst mal gar nichts.

Diese Zielkoordinaten machen nur dann Sinn, wenn du auch weißt, wo genau du dich gerade aufhältst.

Nur wenn Du weißt wo du hinwillst und wenn du gleichzeitig weißt, wo du stehst, kannst du den richtigen Weg wählen.
Deswegen ist in den Einkaufszentren auch immer so einer roten Punkt auf dem Plan, auf dem steht: Sie befinden sich hier!

Geistliche Entwicklung braucht nicht nur ein irgendwie definiertes Ziel, sondern auch immer eine Standortbestimmung. Und die Regelmäßige Selbstreflektion ist nichts anderes als eine Standortbestimung.

Für eine Standortbestimmung empfehle ich immer auch das Führen eines Tagebuchs oder eines Journals. Wenn ich mich dazu bringe bestimmte Gefühle oder Wahrnehmungen aufzuschreiben, dann zwinge ich mich zur Auseinandersetzung mit mir selbst und ich verorte mich oder ich führe sozusagen eine Ortsbegehung durch. Ich schaue einfach, was gerade los ist.

Die Frage die ich immer höre ist, wie man sich denn mit sich selbst auseinander setzen kann oder wie man ein Tagebuch aufbauen kann.

Und das bringt mich zum eigentlichen Thema heute: der 5-Finger- Reflektion.

Diese Methode eignet sich übrigens nicht nur für die Selbstreflektions, sondern auch ganz hervorragend für Mentoringgespräche, für das Coaching, für die Gestaltung von Kleingruppenabenden oder zur Auswertung von Seminaren.

Aber ich erkläre diese Methode hier und heute mal im Kontext von Selbstreflektion.

Die 5 Finger

Ich persönlich finde die 5 Finger- Reflektion einfach gut, weil sie sehr einprägsam ist. Meine eigene Hand ist hier meine Gedankenstütze.
Na ja, und überhaupt bin ich ein Fan von Dingen, die ich an einer Hand abzählen kann.

Also es geht der Reihe nach um die einzelnen Finger meiner Hand:

1.Daumen
Der Daumen steht für das, was top ist. Ich frage mich, was gerade so richtig gut in meinem Leben läuft oder was wieder gut geworden ist. Hier beantworte ich oder verschriftliche ich, wofür ich dankbar bin und was mich glücklich macht.
Ich finde es hilfreich gerade hiermit auch zu beginnen, weil wir Deutschen doch sehr häufig ein Problembewusstsein haben und sehr selten den Segen Gottes im eigenen Leben reflektieren.

2.Zeigefinger
Der Zeigefinger steht für das, was mir gezeigt wurde. Was habe ich gelernt? Welche neuen Erkenntnisse habe ich gesammelt? Was ist mir bewusst geworden?
Gerade an einem Tag, wo ich selbst gescheitert bin oder ich interessante Begegnungen hatte, halte ich hier meine Lernerfahrungen fest.

3.Mittelfinger
Der Mittelfinger ist ja der Stinkefinger. Hierbei geht es um die Dinge, die mir stinken oder sauer aufstoßen. Worüber ärgere ich mich? Bei mir oder bei anderen oder auch bei Gott? Manch einer schluckt und schluckt und irgendwann explodiert er dann. Hier ist die Reflektion vorbeugend und es beginnt eine Auseinandersetzung auch mit den Stinkbomben des eigenen Lebens.. Nicht selten beginnt hier auch Vergebung. Es kann wirklich sehr befreiend sein, so eine Art Psychohygiene, wenn man mal alles rauslässt, was einem so stinkt.

4.Ringfinger
Der Ringfinger steht für meine Beziehungen. Es geht um die Frage wie es mir in meiner Partnerschaft, mit meinen Eltern / Kindern, Freunden oder Kollegen hat. Wenn alles schön ist, dann ist ja gut, aber wenn nicht, dann öffnet mir die Reflektion vielleicht Handlungsperspektiven oder – alternativen.

5.Kleiner Finger
Der kleine Finger steht für das, was zu kurz kam in letzter Zeit. Es ist ja so, dass jedes Ja ein Nein bedingt. Wenn man Ja sagt zu etwas, z.B. zu einem Job oder einem Projekt sagt, dann sagt man in der Regel gleichzeitig Nein zu etwas anderem. Und von Zeit zu Zeit müssen wir gucken, ob wir noch in der richtigen Balance sind und uns prüfen, ob wir nicht Entscheidendes im Leben zu wenig berücksichtigt haben.

Das ist die 5-Finger-Reflektion!

Wie gesagt, empfehle ich diese Reflektion schriftlich zu machen.
Wenn man schreibt dann zwingt man sich zur Konzentration. Außerdem schreibt man sich die Dinge oft sprichwörtlich von der Seele.
Aber man kann es eben auch mündlich und in der Gemeinschaft mit anderen machen, z.B. mit dem Partner oder in der Kleingruppe.

Regelmäßigkeit

So oder so empfehle ich eine regelmäßige Reflektion. Nur die Übung macht den Meister. Um einen Zugang zu mir selbst zu finden und den Weg für geistliches Wachstum zu bereiten, reicht es nicht aus, dass nur einmal zu tun.

Reflektion sollte zu einer festen Gewohnheit werden. Und für eine Gewohnheit braucht es eine feste Zeit und auch einen festen Ort.
Ich z.B. habe eine feste Zeit in der Woche, wo ich mich selbst reflektiere.

Man kann sich auch im Sinne eines Tagesabschlusses reflektieren und diese 5 Finger Reflektion kurz vor dem ins Bettgehen machen.

Wie wär´s jetzt mit einer kleiner Reflektion?

Was ist gerade TOP in deinem Leben? (der Daumen)
Was wurde dir in letzter Zeit gezeigt? (der Zeigefinger)
Was stinkt dir? (der Mittelfinger)
Wie geht es dir in deinen Beziehungen? (der Ringfinger)
Was kam in letzter Zeit zu kurz? (der kleine Finger)

Viel Spaß jetzt beim Reflektieren, 🙂
Dein Markus